Beratungsangebot des Sozialdienstes Katholischer Frauen e.V.
Kinder sollen ohne Gewalt groß werden. Dafür plädierte schon die Kinderbuchautorin Astrid Lindgren in ihrer Rede zum Friedenspreis des deutschen Buchhandels – vor fast genau 40 Jahren. Aber auch heute gibt es noch Handlungsbedarf. Der Sozialdienst katholischer Frauen e.V. (SkF) ist seit Jahrzehnten Träger von Angeboten für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder. Dazu gehören das Frauenhaus in Koblenz, der Beratungsladen für Frauen in Koblenz, die Interventionsstelle für 7 Polizeiinspektionen und die Psychosoziale Prozessbegleitung.
Die Arbeit im Frauenhaus, im Beratungsladen für Frauen und in der Interventionsstelle zeigt, wie auch in der vielfältigen Fachliteratur zum Thema Kinder und Jugendliche im Kontext Gewalt in engen sozialen Beziehungen dargestellt wird, dass Gewalt gegen Mütter bzw. Partnerschaftsgewalt auch immer Gewalt gegen die im Haushalt lebenden Kinder bedeutet. Das Erleben von Gewalt in engen sozialen Beziehungen als Mitbetroffene und/oder Zeugen hat Auswirkungen auf die Kinder und muss grundsätzlich als mögliche Ursache für Verhaltensauffälligkeiten und andere Probleme der Kinder und Jugendlichen in Betracht gezogen werden. Kinder und Jugendliche die in gewaltgeprägten Familien leben, laufen Gefahr, selbst Opfer von Misshandlung und Missbrauch zu werden. Ihre Lebenswelt und seelische Entwicklung sind aber auch unabhängig davon bereits durch das Miterleben von Gewalt in engen sozialen Beziehungen beeinträchtigt.
Zur Überwindung dieser Folgen und zur Verhinderung des weiteren Erlebens oder Erleidens von Gewalt in engen sozialen Beziehungen brauchen diese Kinder und Jugendlichen und die Sorgeberechtigten qualifizierte Unterstützung.
„Das Erleben, wie der Vater die Mutter misshandelt, demütigt und einschüchtert beeinflusst das Bild, das Töchter und Söhne von Mutter und Vater haben. Und es beeinflusst die Beziehung zu Vater und Mutter. Kinder – selbst kleine Kinder – fühlen sich angesichts der Gewalt des Vaters und der Ohnmacht der Mutter sehr hilflos und ausgeliefert, aber auch verantwortlich für das, was passiert. Oft glauben sie, sie seien daran schuld. Oder sie versuchen, einzugreifen, den Vater zurückzuhalten, die Mutter zu schützen. Wenn sie sich einmischen, werden sie oft selbst misshandelt. Oder sie haben Angst, sich einzumischen und deshalb Schuldgefühle. Oder sie sehen, in welcher Verfassung die Mutter ist, und übernehmen die Verantwortung für die Versorgung und den Schutz ihrer Geschwister bzw. die Versorgung des Haushalts. Das Miterleben der Gewalt gegen die Mutter hat vielfältige und unterschiedliche Auswirkungen auf die Töchter und Söhne. Nie bleibt es ohne Auswirkungen. Das Miterleben dieser Situation ist für Kinder immer schädigend. Die Auswirkungen erreichen nicht immer traumatisierende Intensität. Aber qualifizierte, eigenständige Unterstützung brauchen alle Kinder, die Gewalt gegen die Mutter erlebt haben.
Vor allem in den vielen Fällen, in denen Kinder über lange Zeit der chronischen Gewalt des Vaters gegen die Mutter ausgesetzt waren, ist mit traumatischen Schädigungen zu rechnen. In vielen Fällen werden unspezifische Auswirkungen beobachtet wie:
- Schlafstörungen
- Schulschwierigkeiten
- Entwicklungsverzögerungen » Aggressivität
- Ängstlichkeit
Dieses Spektrum ähnelt sehr den Symptomen, die Kinder und Jugendliche in anderen schwierigen Lebenssituationen zeigen, z.B. wenn sie selbst Gewalt in unterschiedlicher Form erleiden, wenn sie Trennungen hinnehmen müssen und ihnen wichtige Bindungen verloren gehen usw.“
Frau Prof. Dr. Barbara Kavemann, Zitat aus dem Projekt WiBIG – Wissenschaftliche Begleitung Interventionsprojekte gegen häusliche Gewalt, Universität Osnabrück
Die Beratung der Interventionsstelle, des Beratungsladens sowie des Frauenhauses beinhaltet die Sensibilisierung der gewaltbetroffenen Elternteile für die Bedürfnisse und Interessen mitbetroffener Kinder u.a. durch die Thematisierung möglicher Auswirkungen und Folgen der Gewalt. Im Rahmen der psychosozialen Beratung und Unterstützung werden Möglichkeiten der Verarbeitung von Gewalterfahrungen aufgezeigt, der Schutz vor weiterer Gewalt thematisiert sowie die Isolation und Ausgrenzung durchbrochen.
Der Schwerpunkt der Beratung liegt bei der Einzelberatung von Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 6 und 17 Jahren, die Gewalt in engen sozialen Beziehungen gegen einen Elternteil miterlebt haben. Bei jüngeren Kindern wird dem gewaltbetroffenen Elternteil eine Beratung angeboten.
Der Zugang in die Kinder-Interventionsstelle geht über die Mitarbeiterinnen der Interventionsstelle. Betroffene Elternteile werden von den Mitarbeiterinnen auf das Angebot der Kinder-Interventionsstelle angesprochen und weitervermittelt.
Die Beratung des Kindes/Jugendlichen erfolgt immer mit Einverständnis und unter Einbeziehung der Mutter/Eltern.
Ziele der Beratung sind, die Information über das Recht auf gewaltfreie Erziehung und eine Verbesserung der Lebenssituation der betroffenen Familien. Des Weiteren soll sie eine spezielle Hilfe für Kinder und junge Menschen in besonderen Lebenslagen anbieten.
Durch die Beratung in der Kinder-Interventionsstelle werden die Kinder und Jugendlichen als eigenständige Betroffene von Gewalt in engen sozialen Beziehungen beraten und unterstützt. Der Unterstützungsbedarf der Kinder und Jugendlichen und Erwachsenen ist dabei eng miteinander verbunden.
Es gibt noch zu wenig Angebote für Kinder die Gewalt in engen sozialen Beziehungen mit-/erleben. Dank der finanziellen Unterstützung des Fördervereins des Hauses des Jugendrechts in Koblenz konnte diese Lücke teilweise, für die Stadt Koblenz, seit Oktober 2018 und voraussichtlich für die nächsten zwei bis drei Jahre geschlossen werden. Dies ist die erste und einzige Kinder-Interventionsstelle in Rheinland-Pfalz.